Donnerstag, 6. September 2007

Innenstadt - Anzeichen für einen Aufschwung

Von Matthias Alexander

6. September 2007, FAZ
Die Stadtverordneten im Planungsausschuss waren mit ihrem Urteil schnell bei der Hand. Auf Geheiß von Planungsdezernent Edwin Schwarz (CDU) musste der Investor Andreas Lyson Ende August erste, noch unfertige Ansichten von jenem Gebäude präsentieren lassen, das demnächst das baufällige „Kino Royal“ ersetzen soll. Was die Ausschussmitglieder zu sehen bekamen, war außergewöhnlich: Mit einer geschwungenen Glasfront wollen die Architekten vom Büro Schneider + Schumacher an der Schäfergasse einen Akzent setzen, der Passanten von der Haupteinkaufsstraße Zeil in die Nebenlage locken soll.

Sprecher fast aller Fraktionen empörten sich nach einem kurzen Blick auf das Modell, nur die Grünen stemmten sich gegen die Schnellabfertigung des Entwurfs. „Mehr als daneben“ fand die Sozialdemokratin Elke Tafel die Fassade, Jochem Heumann von der CDU fühlte sich an ein Parkhaus erinnert. Und der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Oesterling mahnte, der Investor solle sich eine Architektur überlegen, die besser in die Umgebung passe.

Heterogenes Erscheinungsbild

Oesterling dürfte schon länger nicht mehr an der Schäfergasse unterwegs gewesen sein. Sonst wüsste er, dass ein Gebäude, das sich hier an der Nachbarschaft orientiert, eine Art Chamäleon sein müsste: Links vom alten Lichtspielhaus steht ein sehr ansehnliches Haus mit Natursteinfassade, das um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert errichtet worden sein dürfte. Rechts davon findet sich ein denkbar schlichter Nachkriegsbau mit Putzfassade. Und gegenüber zieht sich auf gefühlten 200 Metern die braune Kaufhaus-Fassade von Karstadt aus den achtziger Jahren hin.

Die Sehnsucht nach einem geschlossenen Erscheinungsbild, die die Stadtverordneten gerade in der Debatte um die Altstadt ausleben und nun offenbar auf andere Quartiere übertragen wollen – in dem Innenstadt-Areal nördlich der Zeil, das früher als Neustadt bezeichnet wurde, ist sie fehl am Platz. Zu heterogen ist das Erscheinungsbild zwischen Eschenheimer Turm und Konrad-Adenauer-Straße, das sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Einzelne Reste der Vorkriegsbebauung haben sich vor allem an der Alten Gasse erhalten, während an Stephanstraße und Stiftstraße längst Großbauten dominieren.

Statt Investoren zu düpieren, die sich in der lange vernachlässigten Gegend engagieren wollen, sollten die Stadtverordneten die Ansätze für eine Aufwertung unterstützen. Denn es tut sich etwas: Besonders augenfällig ist es im Fall der Baustelle von „Frankfurt Hoch Vier“. Noch wird die Brache, die nach dem Abriss des „Rundschau“-Hauses an der Ecke von Großer Eschenheimer Straße und Stiftstraße entstanden ist, für die Baustellenlogistik des Riesenkomplexes benötigt. Doch längst sitzen Berliner Architekten an den Entwürfen für einen achtgeschossigen Neubau, der bis 2010 fertiggestellt werden soll. Im Erdgeschoss und im ersten Stock werden Läden unterkommen, darüber Büros und einige Wohnungen.

Abriss des Turm-Kinos

Die Stadt trägt sich mit dem Gedanken, in der Nähe weitere Hochhäuser zu genehmigen. Drei Standorte hat Stadtplaner Jochem Jourdan in seinem Entwurf für den neuen Hochhausrahmenplan ins Spiel gebracht. Ein weiteres Hochhaus könnte auf dem verbliebenen Teil des Telekom-Areals an der Stiftstraße gebaut werden; zwei Wohntürme mit bis zu 80 Metern Höhe sollen neben dem schon vorhandenen Hochhaus namens „Skylight“ entstehen.

Es zeichnet sich ab, dass vermutlich fast der gesamte Block mit den Turm-Kinos abgerissen und neu bebaut werden wird. Stefan Majer, planungspolitischer Sprecher der Grünen, will sich dafür stark machen, potentielle Investoren darauf zu verpflichten, auch weiterhin den Betrieb eines Kinos zu ermöglichen, das Filme im englischsprachigen Original zeigt – das Kino sei schließlich ein Fixpunkt für die wichtige angelsächsische Community in Frankfurt, argumentiert er.

Neues Leben in alte Gemäuer will die evangelische Kirche bringen. Die Peterskirche wird derzeit für rund 5,5 Millionen Euro zur „Jugendkulturkirche St. Peter“ umgebaut. Nach der für die Jahreswende geplanten Eröffnung wird das Hauptschiff der Kirche als Veranstaltungsfläche für Konzerte und Partys dienen. Ein Café, Verwaltungs-, Seminar- und Beratungsräume kommen hinzu, dazu auch ein Sakralraum. Der Haupteingang wird von der Bleichstraße nach Süden verlegt: Die Jugendlichen werden also von der Zeil her über den Peterskirchhof mit seinen Grabmälern bedeutender Frankfurter Familien in die Kulturkirche kommen. Auch das wird zu einer Belebung der Stephanstraße beitragen.

Anziehungskraft des Quartiers

An deren östlichem Ende beginnt ein Quartier, das zu den quirligsten in Frankfurt gehört. Die Schwulenszene, die nicht nur in Frankfurt als Pionier bei der Aufwertung vernachlässigter Stadtteile mit großem urbanen Potential fungiert, dominiert mittlerweile mit den einschlägigen Geschäften das Bild rund um den Klaus-Mann-Platz. Auch das NH-Hotel trägt seit einigen Jahren zur Belebung bei. Dass die schwarz-grüne Koalition beschlossen hat, im Zuge der geplanten Neugestaltung der Zeil auch die Große Friedberger Straße aufzuwerten, ist eine weise Entscheidung. Es ist wichtig, die Straßen, die in Nord-Süd-Richtung auf die Zeil stoßen, von ihrer reinen Andienungsfunktion zu befreien, die sie zum Sackgassen-Dasein verurteilt. Das Innenstadtkonzept, das Planungsdezernent Schwarz demnächst präsentieren will, sieht dem Vernehmen nach auch eine Aufwertung der Schäfergasse vor.

Von der gestiegenen Anziehungskraft des Quartiers weiß auch Andreas Lyson zu berichten. Er hat unlängst das Wohn- und Geschäftshaus „Stadt Cassel“ an der Großen Friedberger Straße saniert. Die hochwertig sanierten Wohnungen seien im Nu vermietet gewesen, berichtet Lyson. Das großzügige Ladenlokal samt modernem Hinterhaus hat das Einrichtungshaus Leptien 3 bezogen, im Hinterhof wurde zudem für die Galerie Bärbel Grässlin die Lagerhalle eines Glasbauers umfunktioniert. Es ist ein stimmiges Ensemble entstanden, das die Potentiale auch anderer Blockinnenräume in der Umgegend offenlegt.

Davon haben sich auch die neuen Eigentümer des Helberger-Hauses direkt neben dem Haus „Stadt Cassel“ überzeugen lassen. Die Viterra Development will es nicht nur entkernen und mit einer neuen Fassade versehen, wie Niederlassungsleiter Justus Foerschner mitteilt. Auch der Innenhof soll neu gestaltet werden. Die Chancen, dass sich weitere Immobilienbesitzer zur Aufwertung ihrer Häuser animieren lassen, stehen nicht schlecht. Auch bei Karstadt wird offenbar neu nachgedacht. Es könnte der Durchbruch zum Besseren sein.

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